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Создан: 06.08.2007
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Понедельник, 17 Марта 2008 г. 13:00 + в цитатник
Just_funny все записи автора

Barbara

"Das Problem seid ihr, nicht wir" (Barbara B.)

Die Hauptpersonen dieser Geschichte:
Helmut Müller, Privatdetektiv. Bei diesem Fall lernt er viel über sich selbst.
Bea Braun, seine Sekretärin und Mitarbeiterin. Sie meint, dass dies ihr bisher interessantester Fall sei.
Barbara Böhm, Angestellte einer Berliner Firma, muss nach einem Autounfall lernen, mit dem Rollstuhl zu leben.
Menschen wie du und ich: Verkäufer, Taxifahrer, Disco-Besucher, U-Bahn-Gäste, ...

1
Seit drei Stunden schneit es ununterbrochen. Dicke, weiche Flocken fallen auf die Erde und bedecken die Landschaft, die Bäume, die Wiesen, die Straßen. Barbara blickt aus dem Fenster ihres Büros. So ein Pech, denkt sie. Bei diesem Wetter muss ich jetzt bis nach Hannover fahren. Zehn Minuten später ist Büroschluss, und dann geht's ins Wochenende. Sie räumt ihren Schreibtisch auf und verabschiedet sich von den Kolleginnen und Kollegen ihrer Abteilung.
"Bis Montag, Barbara. Schönes Wochenende!" sagt ihr Chef. "Was haben Sie denn vor?"
"Ich muss meine Mutter in Hannover besuchen, ihr geht es nicht so gut."
"Bei dem Wetter? Na, dann viel Spaß, aber Vorsicht! Dieses Schneetreiben ist gefährlich! Fahren Sie ja langsam!"
"Schon gut. Ich passe schon auf! Wiedersehn!"
Barbara geht zum Parkplatz, säubert die Scheiben ihres Wagens, steigt ein und fährt los. Als sie auf der Autobahn ist, ist es schon dunkel. Das Schneetreiben wird immer schlimmer. Die Sicht ist sehr schlecht und die Fahrbahn vom Schnee bedeckt. Es sind nur wenige Autos unterwegs. Vor ihr fährt ein Lastwagen. Barbara will überholen und betätigt den Blinker. Als sie bemerkt, dass der Lastwagen plötzlich die Spur wechselt, ist es zu spät. Sie versucht, schnell nach rechts auszuweichen, und tritt auf die Bremse. Aber der Wagen kommt ins Schleudern und kracht gegen die Leitplanke. Dann verliert Barbara das Bewusstsein.

2

"Hallo! Wie geht es Ihnen? Mein Name ist Brock, ich bin der Stationsarzt."
"Was? Wo bin ich? Was ist passiert?" Barbara öffnet langsam die Augen und betrachtet ihre Umgebung. Weiße Wände, ein weißes Bett, ein weißgekleideter Mann steht vor ihr. Dann erinnert sie sich. Der Unfall! Der Laster, die Autobahn, der Schnee, der Krach ...

"Sie sind im Kreiskrankenhaus in Wolfsburg. Sie wurden vor ein paar Stunden hier eingeliefert. Wir haben Sie inzwischen operiert. War gar nicht so einfach. Aber jetzt ruhen Sie sich erst mal aus, versuchen Sie, noch ein bisschen zu schlafen."
"Und was ist mit mir? Mein Rücken! Meine Beine!" Barbaras Stimme klingt ängstlich.
"Tja, Frau Böhm, wie gesagt, wir mussten Sie operieren. Ich hoffe, alles wird wieder gut. Aber jetzt schlafen Sie erst mal. Wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie einfach. Dann kommt sofort eine Krankenschwester."

Der Arzt zeigt auf einen Klingelknopf neben dem Kopfende des Bettes.
Barbara ist müde und kann nicht mehr weitersprechen.

3

Barbaras Aufenthalt im Krankenhaus dauerte fast acht Wochen. Bei dem Aufprall gegen die Leitplanke hat sie sich mehrere Rückenwirbel angebrochen, und dabei wurde der Nervenstrang, der die Beine versorgt, verletzt. Zuerst konnte sie es nicht glauben, aber eines Tages war es sicher: Sie ist gelähmt. Sie wird nie wieder laufen können. Nie wieder tanzen können, kein Tennis, kein Skifahren. Jede Treppe wird für sie ein unüberwindliches Hindernis sein. Sie ist ein Krüppel!

Sie wurde mit einem Spezialfahrzeug nach Berlin transportiert. Dort war sie noch einmal zwei Monate in einer Rehabilitationsklinik. Sie lernte, sich zu bewegen, lernte, im Rollstuhl zu fahren, machte Spezialgymnastik. Gleichzeitig wurde ihre Wohnung vollständig umgebaut, damit sie sich mit ihrem Rollstuhl bewegen konnte.
In ihrer Firma gab man ihr einen neuen Arbeitsplatz in der Buchhaltung. Alle Kollegen waren sehr nett zu ihr, aber Barbara spürte, wie selbst ihre besten Freunde sich langsam von ihr zurückzogen. Nicht, dass keiner sie mehr mochte. Nein, nein, aber nach Feierabend gab es niemanden, der mit ihr etwas zusammen machen wollte. Die einen gingen ins Kino, die anderen spielten Tennis oder fuhren ins Grüne. Anfangs fand sie das auch normal. Wer wollte schon mit einem Krüppel ausgehen! Eine behinderte Frau im Rollstuhl! Aber dann wollte sie das nicht mehr Iakzeptieren. Sie wollte leben wie die anderen auch.

Sie wollte ausgehen, ins Kino gehen, sie wollte die gleichen Rechte haben wie andere auch.
Da kam ihr eine Idee ...

4

"Detektivbüro Müller. Bea Braun am Apparat. Guten Tag! ... Ja, gerne. Wir können einen Termin ausmachen. ... Ja gut, kommen Sie doch einfach morgen gegen 11 Uhr vorbei. Haben Sie unsere Adresse? ... Ja, im zweiten Stock ja, auch. ... Gut, bis morgen, Wiederhören."

Bea macht sich Notizen und geht ins Zimmer von Helmut Müller, ihrem Chef. Seit einigen Jahren ist sie Sekretärin, Mitarbeiterin, Kollegin, kurz: Mädchen für alles im Detektivbüro Müller. Sie organisiert die Buchhaltung, erledigt die Post, bedient das Telefon, und oft hilft sie ihrem OIef auch bei den Ermittlungen. Ihr macht der Job viel Spaß, er ist interessant, manchmal sogar aufregend.

"Chef, gerade kam ein Anruf von einer Frau Barbara Böhm. Sie möchte mit Ihmen sprechen und kommt morgen gegen 11 Uhr vorbei. Sie hat eine ganz nette Stimme, aber irgendwie kommt sie mir merkwürdig vor."
"Wieso merkwürdig, Bea?" Müller legt die Berliner Zeitung weg und schaut seine Mitarbeiterin an. Er hat in den Jahren der Zusammenarbeit mit Bea Braun gelernt, ihre Kommentare ernst zu nehmen, besonders wenn es um Gefühle und Eindrücke geht. Meistens hatte Bea mit ihren intuitiven Einschätzungen recht behalten.

"Tja, so richtig weiß ich auch nicht warum. Die Dame fragte zum Beispiel, in welchem Stock unser Büro liegt. Und ob es einen Aufzug gibt."
"Hm, das scheint mir allerdings auch merkwürdig. Hat sie denn gesagt, was sie von uns will?"
"Nein, sie möchte das morgen mit Ihnen besprechen."

5

Pünktlich um 11 Uhr des folgenden Tages klingelt es, und automatisch drückt Bea Braun auf den Summer, der die Haustür öffnet.
Als es dann noch einmal klingelt, nimmt sie den Hörer der Gegensprechanlage ab.
"Ja, bitte?"
"Ich bin Barbara Böhm. Könnte vielleicht jemand runterkommen und mir helfen? Ich bekomme die Tür nicht auf."
"Ja, ich komme sofort", sagt Bea und legt den Hörer auf.
"Chef, die Frau Böhm ist da und sagt, sie kriegt die Tür nicht auf. Das wird ja immer komischer mit dieser Frau. Wieso kommt die denn nicht rein wie jeder andere auch?"
"Merkwürdig, merkwürdig. Bea, Sie bleiben hier und ich gehe. Man kann nie wissen!"
"In Ordnung. Seien Sie aber vorsichtig!"

Müller nimmt statt des Aufzugs die Treppe und geht langsam die zwei Stockwerke runter bis ins Parterre. Im Flur steht niemand. Aber durch die Milchglastür des Eingangs sieht er die Silhouette einer Figur. 'Sieht aus, als ob da jemand vor der Tür sitzt', denkt er.
Er geht zum Eingang und öffnet. Vor ihm sitzt Barbara Böhm in ihrem Rollstuhl.
"Oh!"
"Wieso 'oh'? Haben Sie noch nie eine Frau im Rollstuhl gesehen? Mein Name ist Barbara Böhm. Sind Sie Detektiv Müller? Guten Tag!" Sie reicht Müller die rechte Hand und dreht mit der linken am Rad ihres Rollstuhls, um das Gefährt Richtung Tür zu bewegen.
"Guten Tag!" Müller lächelt verlegen und versucht, seine Beschämung zu verbergen. "Kann ich Ihnen helfen? Warten Sie, ich glaube, wir müssen die Tür ganz aufmachen."
"Sie können Ihrem Hausbesitzer mal sagen, er soll eine vernünftige Tür einbauen lassen. Durch so eine enge Tür kommt ja kein Mensch durch!"
Als die beiden dann vor dem Fahrstuhl stehen, ergibt sich das gleiche Problem.
"Sehen Sie, Herr Müller, was diese Leute heutzutage für Fahrstühle bauen? Alles ohne an uns Behinderte zu denken. Versuchen Sie mal, den Stuhl hinten hochzuheben und dann zu drehen, vielleicht klappt's dann."

Nach einigem Hin und Her sind die beiden dann im Fahrstuhl und schließlich auch in Müllers Büro.

"Warum haben Sie denn gestern am Telefon nichts gesagt? Ich wäre doch selbstverständlich zu Ihnen gekommen. Dann hätten Sie sich die Mühe sparen können, hierher zu kommen!" sagt Müller.
"Warum sollte ich? Erstens bin ich nicht ans Bett gefesselt, sondern kann mich normal bewegen, und zweitens haben Sie so gelernt, wie idiotisch man bei uns Häuser baut. Keiner denkt an Behinderte in unserer Gesellschaft. Also müssen wir Behinderten die Gesellschaft auf uns aufmerksam machen! Zum Beispiel Sie, Herr Müller:
Sicher sind Sie schon tausendmal unten durch die Eingangstür gegangen und haben den Lift benutzt. Und? Haben Sie schon einmal daran gedacht, ob diesen Lift jemand mit einem Rollstuhl benutzen kann? Seit heute wissen Sie mehr!"
Ironisch lächelnd sieht Barbara den Detektiv an.
Müller fühlt sich etwas unsicher. Die Dame hat schon Recht, aber was kann er dafür? Er sagt:
"Und was führt Sie zu mir?"

"Nun, ich habe mich informiert, welche Detekteien es in Berlin so gibt, und für mein Vorhaben, glaube ich, ist Ihre Firma gerade die richtige. Schauen Sie, ich habe jetzt 14 Tage Urlaub, und den muss ich dieses Jahr hier verbringen. Also will ich etwas Nützliches tun, und dabei sollen Sie mir helfen. Ihre Mitarbeiterin kann doch fotografieren, oder?"
"Das gehört zu unserer Grundausbildung, Frau Böhm. Aber was sollen wir denn nun machen?"
"Also, ich möchte eine Reportage über behindertenfeindliche Firmen machen. Dabei brauche ich Sie als Zeugen, wenn es Komplikationen gibt. Ich brauche Sie als Beobachter, Fotografen, Toningenieur, Rechercheur und möglicherweise als Beschützer. Nehmen Sie den Auftrag an?"
Bea Braun, die die ganze Zeit zugehört hat, nickt heftig mit dem Kopf. Sie schämt sich auch ein bißchen, weil sie die Frau am Telefon und an der Sprechanlage als komisch und merkwürdig empfunden hatte. Außerdem gefällt ihr die energische Art, wie Barbara Böhm ihre Situation anpackt. Einen Moment stellt sie sich vor, wie das sein muss, in so einem Rollstuhl zu sitzen, dann sagt sie:
"Selbstverständlich nehmen wir den Auftrag an, nicht wahr, Chef?"
Müller ist ebenfalls einverstanden und sagt:
"Ich weiß zwar noch nicht genau, womit wir Ihnen helfen können, aber das werden wir ja dann schon merken."

6

Und so war es auch. Schon am ersten Tag ihrer Zusammenarbeit kamen sich die beiden Detektive vor wie zwei Blinde, die mit Hilfe von Barbara sehen lernen mussten. '

Barbara Böhm erklärt den beiden die Arbeit:
"Also, hier ist der heutige Plan. Das Thema ist Transport und Einkaufen. Sie, Frau Braun, stellen sich auf die andere Straßenseite und fotografieren mich, wie ich versuche, ein Taxi zu bekommen.
Dann fahren wir zum Einkaufszentrum SCHNELLKAUF. Dort werde ich im ersten Stock versuchen, einige Sonderangebote im Sommerschlussverkauf zu erstehen. Da müssen Sie dann ziemlich dicht bei mir stehen, Herr Müller, denn ich möchte, dass Sie die Gespräche mit den Verkäufern mit dem Recorder aufnehmen. Danach fahren wir in die Lebensmittelabteilung. Die Rückfahrt mache ich dann mit der U-Bahn. Auch da müssen Sie fotografieren und Gespräche mitschneiden. Alles klar?"
"Alles klar."
Müller steckt sich einen Walkman in die Brusttasche seiner Jacke und klemmt ein kleines Mikrophon daran. Bea nimmt einen Fotoapparat mit Teleobjektiv und stellt sich an die Straße.

Barbara fährt ihren Rollstuhl über die Straße und bleibt am Rande stehen. Nach zwei Minuten kommt ein Taxi langsam die Wilmersdorfer Straße runtergefahren. Barbara winkt, aber das Taxi hält nicht. Bea fotografiert. Dann wieder ein Taxi. Als der Fahrer die Behinderte sieht, gibt auch er Gas und fährt weiter.

"Das gibt es doch gar nicht. So einem muss man doch die Lizenz wegnehmen. Ungeheuerlich!"
Wütend beobachtet Müller, wie der Fahrer nur zwanzig Meter weiter hält und eine junge Frau mitnimmt, die gerade aus einem Geschäft kommt.
Erst das dritte Taxi hält. Der Fahrer steigt aus und steht dann etwas ratlos vor Barbara. Müller schaltet den Recorder ein und stellt sich neben die beiden.

"So, junge Frau, und wie kriege ich Sie jetzt in den Wagen? Sie sind die erste Rollstuhlfahrerin für mich, wissen Sie?"
"Halten Sie einfach meinen Stuhl fest. Ich ziehe mich dann auf den Sitz hinten. Dann klappen Sie den Stuhl zusammen und tun ihn in den Kofferraum. Das ist alles."

Müller und der Taxifahrer staunen, wie flink und geschickt Barbara sich in das Taxi zieht.

Dann sieht Müller lächelnd zu, wie der Taxifahrer versucht, den Rollstuhl zusammenzuklappen. 'Gar nicht so einfach', denkt Müller. Nach einigem Hin und Her hat der Fahrer es aber dann doch geschafft und legt den Rollstuhl in den Kofferraum.

7

Als das Taxi vor dem Einkaufszentrum SCHNELLKAUF ankommt, steht Bea Braun schon da. Den Fotoapparat bereit und mit montiertem Teleobjektiv beobachtet sie, wie der Taxifahrer versucht, den Rollstuhl wieder aufzuklappen.
Später erzählt Barbara den beiden Detektiven ihr Gespräch mit dem Fahrer:

"Zuerst musste ich ihm erklären, wie man den Rollstuhl aufklappt. Dann hatte er vergessen, die Bremse festzumachen. Der arme Junge war völlig fertig, als ich ihm sagte, dass ich meinen Ann um seinen Hals legen werde und er mich dann so aus dem Auto ziehen soll. Aber dann hat er das gemacht und mich wirklich wieder gut in meinen Stuhl gesetzt. Er hatte wohl ein bisschen Angst, mich zu berühren, der Arme! Haben Sie auch schön fotografiert, Bea?"
"Ja, ja, ich glaube, die Aufnahmen sind gut geworden." Bea wirkt etwas unsicher. 'Das ist der sonderbarste und vielleicht auch interessanteste Auftrag, seit das Büro existiert', denkt sie.

"So, und jetzt gehen wir einkaufen! Mal sehen, was es so an Sonderangeboten gibt." Mit einigen kräftigen Stößen schiebt Barbara den Rollstuhl Richtung Eingang. Am Informationsschalter erkundigt sie sich nach dem Fahrstuhl. Müller und Bea Braun steigen ebenfalls ein. Nach dem Aussteigen im ersten Stock gehen die bei den Detektive einige Schritte hinter Barbara, damit niemand merkt, dass sie zusammengehören. Schon nach wenigen Metern das erste Hindernis: Ein großer Tisch mit Pullovern und einem Schild steht mitten im Weg. Barbara kommt nicht weiter. Sie sucht eine Verkäuferin. Müller stellt sich dicht neben die beiden, damit er das Gespräch mitschneiden kann.

"Hallo, entschuldigen Sie, ich möchte hier vorbei und komme mit meinem Rollstuhl nicht durch!" ruft Barbara der Verkäuferin entgegen.
"Tja, dann müssen Sie eben woanders lang fahren. Ich kann den Verkaufstisch nicht wegen Ihnen wegschieben. Da krieg ich nur Arger!" antwortet die Verkäuferin.
"Na, Sie sind gut! Und wo bitte? Ich will hier ja nicht spazieren fahren, sondern einkaufen. Da muss der Gang doch schließlich frei sein. Wenn Sie den Tisch hier nicht wegschieben wollen, dann rufen Sie doch Ihren Abteilungsleiter!"
Die Verkäuferin ist jetzt ziemlich nervös. Sie blickt in Richtung Kasse und winkt einem Mann.
"Herr Broder, diese Dame hier hat Probleme mit ihrem Rollstuhl!" sagt die Verkäuferin und ist sichtlich froh, nicht mehr allein zu sein.
"Moment mal, ich habe keine Probleme mit dem Rollstuhl, Sie haben ein Problem mit dem Verkaufstisch!" Barbaras Stimme klingt jetzt energisch.
"Tut mir Leid, meine Dame, aber die Verkaufstische müssen stehen bleiben. Das sind Sonderangebote, und wir wollen, dass die Kunden diese Tische auch finden. Fahren Sie doch woanders lang!"
Der Herr im dunkelblauen Anzug mit Namen Broder wendet sich ab und geht, die Verkäuferin ebenfalls.

"Haben Sie das Gespräch mitgeschnitten?" fragt Barbara den Detektiv. I
"Alles klar, Band läuft", antwortet Müller.
"Und ich habe sogar heimlich einige schöne Fotos gemacht, wie Sie vor dem Tisch stehen und nicht weiterkommen und wie dieser Herr Broder vor Ihnen steht", ergänzt Bea.
"Wunderbar, dann fahren wir jetzt mal in die Lebensmittelabteilung", sagt Barbara und rollt Richtung Fahrstuhl.

8

IBeim Einkaufen der Lebensmittel gibt es keine Probleme. Nur beim Zahlen an der Kasse wird es wieder eng. Barbara muss an einen Extra-Schalter, weil die normalen Kassen zwar genug Platz für einen Einkaufswagen bieten, aber nicht für ihren Rollstuhl. Die Kassiererin legt dann die Sachen in ein Netz, das an der Rückenlehne des Rollstuhls befestigt ist, und Barbara fährt auf die Straße.
Die U-Bahnstation neben dem Einkaufszentrum hat einen Fahrstuhl, so dass sie ohne Probleme auf den Zug warten kann. Das Einsteigen ist schon schwieriger, denn die Tür des Zuges ist etwas höher als der Bahnsteig. Aber ein junger Mann hilft ihr. Bea fotografiert, und Müller versucht, Gespräche der Fahrgäste aufzunehmen. Später, in Barbaras Wohnung, hören sie dann gemeinsam die Cassette ab:
"... soll doch mit dem Taxi fahren..."
" ... zu Hause bleiben ..."
"... das muss aber schwierig sein, so spazieren zu fahren ..."
" … armes Mädel …"

"Ja, ja, armes Mädel, das höre ich schon manchmal. Einige Menschen haben Mitleid mit uns Behinderten, aber nur ganz wenige wollen uns akzeptieren, wie wir sind." Barbara bewegt sich mit ihrem Rollstuhl Richtung Küche und beginnt auszupacken.

Helmut Müller und Bea Braun schweigen und sehen sich an. Beide denken das gleiche: Und wir? Wie verhalten wir uns? Der erste Tag mit Barbara Böhm war für die beiden eine wichtige Erfahrung. Sie haben begonnen, ihr eigenes Leben und das der Behinderten mit anderen Augen zu sehen.

"Ach, übrigens", ruft Barbara aus der Küche, "morgen Abend gehen wir in die Disco! Wir treffen uns um 23 Uhr Ecke Spichernstraße / Bundesallee. Tschüs, bis morgen!"

9

"Mann oh Mann, hat die Frau Mut!" Bea Braun ist ganz begeistert. "Wie die mit dem Abteilungsleiter gesprochen hat! Wie die dem gesagt hat, dass nicht der Rollstuhl das Problem ist, sondern der Verkaufstisch, das war einfach klasse!"

Müller wirkt sehr nachdenklich. Eine Weile sagt er nichts, dann meint er:
"Mut hat sie schon, aber das mit der Disco finde ich etwas übertrieben."
"Wieso?"
"Na ja, was soll denn eine Rollstuhlfahrerin in einer Disco? Schließlich kann sie doch nicht mit dem Rollstuhl tanzen!"
"Na und? Aber vielleicht gefällt es ihr, Musik zu hören, die Leute zu beobachten, etwas zu trinken, in Gesellschaft zu sein!"
"Na, ich weiß nicht, ich weiß nicht."

Müller bleibt skeptisch.
"Aber Chef, haben Sie denn heute gar nichts gelernt? Das Problem sind nicht die Behinderten, sondern wir, die Gesellschaft. Uns ist es peinlich, wenn ein Behinderter die gleichen Interessen und Bedürfnisse wie wir hat. Warum soll eine behinderte Frau, nur weil sie im Rollstuhl sitzen muss, nicht Discomusik mögen?"
"Hm, ja schon. Na ja, wir werden ja sehen ...Also, jetzt arbeiten wir erst mal ein bisschen. Sie lassen die Fotos entwickeln, und ich schreibe die Gespräche von der Cassette ab und notiere die Orte, wo wir gewesen sind. Wir machen so etwas wie ein Tagebuch. Dann kann Frau Böhm das als Grundlage für ihre Reportage benutzen. Außerdem habe ich Hunger. Wollen wir zusammen essen gehen?"

10

Am nächsten Abend stehen alle drei pünktlich am ausgemachten Treffpunkt. Müller soll mit Barbara zur Disco gehen, und Bea wird in einiger Entfernung Fotos machen. Der Detektiv schaltet seinen Cassettenrecorder ein, und wenig später stehen die bei den vor dem Eingang der Discothek.
Müller klingelt, worauf der Türsteher ein kleines Fenster in der Tür öffnet. Als er Müller sieht, sagt er:
"O.k., Mann, komm rein!"
Er öffnet die Tür und sieht dann erst.Barbara im Rollstuhl.
"Was soll das denn? Soll das em Witz sein? Was wIll die denn hier?" fragt er, zu Müller gewandt.
"Ich will in die Disco! Ist was? Haben Sie noch nie einen Rollstuhl gesehen?" Barbara fährt ihren Rollstuhl Richtung Eingang.
"He, Moment mal, da kommen Sie nicht rein!" Der Türsteher versperrt der Behinderten den Weg.
"Na hören Sie mal, lassen Sie sofort die Dame rein!" Müller ist empört.
"Nein!"
"Das ist ja Rassismus!"
"Kann schon sein. Schwarze und Türken kommen hier auch nicht rein. Und wenn Sie hier Ärger machen, kommen Sie auch nicht rein, verstanden?"
Barbara rollt ihren Stuhl zurück. "Lassen Sie nur, Herr Müller, das genügt mir schon. Ist nicht das erste Mal."
Die beiden ziehen sich bis zur nächsten Straßenecke zurück, wo sie Bea Braun treffen.
"Na, haben Sie alles schön aufgenommen? Ein lustiges Gespräch war das, nicht wahr? Und Sie, Bea? Fotos gemacht?"
Müller ist immer noch wütend und schimpft vor sich hin. Bea sagt nichts, nickt nur mit dem Kopf. Sie schämt sich für diese Leute, die so gemein handeln können.

11

Die drei fahren anschließend in die Discothek SCHUBIDU in den Ostteil der Stadt. Bea Braun kennt hier einige Leute und weiß auch, dass am Eingang keine Kontrollen durchgeführt werden.

Schließlich sitzen alle drei an einem kleinen Tisch in der Nähe der Tanzfläche. Zwar gibt es einige Leute, die etwas merkwürdig schauen, als Barbara mit ihrem Rollstuhl durch die Kneipe fährt, aber niemand sagt etwas.
Die Musik ist gut, der Discjockey mischt neueste Disco-musik mit alten Platten von den Rolling Stones und den Beatles. Als aus den Lautsprechern 'Satisfaction' tönt, sieht Barbara den Detektiv an und sagt:
"Na, wollen wir tanzen?"
Müller spürt, wie er knallrot wird. Auch das noch. Er tanzt sowieso nicht gern, er findet sich zu dick und zu alt und überhaupt. Aber jetzt? Was soll er tun? Wenn er ablehnt, denkt Barbara wahrscheinlich, es ist ihm peinlich. Aber wie soll er mit einer Frau im Rollstuhl tanzen? Er weiß nicht aus noch ein.

"Prima Idee", sagt Bea, "ich tanze mit." Sie stößt Müller heimlich an, steht auf und schiebt Barbara im Rollstuhl auf die Tanzfläche. Müller geht langsam hinterher. Und dann fangen alle drei zu tanzen an. Müller ein bisschen langsam und unbeweglich, Bea Braun ziemlich wild, und Barbara? Und wie sie tanzt! Natürlich bleibt sie in ihrem

Stuhl sitzen, aber bewegt umso toller ihre Arme, den Kopf, den Oberkörper. Sie klatscht im Rhythmus der Musik in die Hände, schnippt mit den Fingern, wiegt ihren Körper zur Musik und rollt den Stuhl im Kreis, vor und zurück, harmonisch zur Musik und den Bewegungen der beiden Detektive.
Außer den dreien bewegt sich niemand auf der Tanzfläche. Alle anderen haben aufgehört und stehen im Kreis um die drei; Müller schwitzt fürchterlich, Bea dreht sich wie ein Kreisel und Barbara rollt lachend ihren Kopf. Dann ist die Musik zu Ende. Nach einigen Sekunden beginnt jemand zu klatschen. Und dann klatscht das ganze Lokal!

"Super!" "Prima!" "Phantastisch!" "Richtig so!"
Lachend und glücklich bewegen sich die drei wieder an
ihren Tisch. Bea schiebt den Stuhl, und Barbara ruft:
"Und jetzt möchte ich was zu trinken!"

Helmut Müller betrachtet die Frau, wie sie schwitzend im Rollstuhl sitzt, zufrieden lächelnd und selbstbewusst. Ihr langes braunes Haar fällt ihr in Strähnen ins Gesicht. 'Was für ein schönes Gesicht sie hat', denkt er. Er betrachtet ihre breiten Schultern, ihre starken Arme. 'Fast wie eine Sportlerin sieht sie aus', denkt er. 'Wie alt mag sie sein? 35? 40? Wie war ihr Leben vor dem Unfall? Ob ich sie danach fragen kann? Oder würde sie

 

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